An den niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur
Herrn Björn Thümler Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Leibnizufer 9 30169 Hannover
Niedersachsen, den 30.04.2020
Betreff: Offener Brief der studentischen Senatorinnen zur durch die Covid19 Pandemie verursachten Situation an niedersächsischen Hochschulen
Sehr geehrter Herr Thümler,
sehr geehrte Frau Dr. Johannsen,
als studentische Senatorinnen und Vertreter*innen der LandesAStenKonferenz Niedersachsen sind wir von der durch Covid-19 an den niedersächsischen Hochschulen verursachten Situation nicht nur selbst betroffen, sondern versuchen unsere Hochschulen im Krisenmanagement nach Kräften zu unterstützen. Die vielfach schnelle Reaktion auf die Pandemie haben wir grundsätzlich begrüßt. Zum jetzigen Zeitpunkt, an dem die Krise allmählich Teil unseres Alltags wird, bietet sich die Möglichkeit, die (langfristigen) Auswirkungen für uns Studierende zu erfassen. Trotz der hohen Dichte des digitalen Lehrangebotes werden wir Studierende *kein reguläres Semester* absolvieren können. Verschiedene Probleme haben sich bereits aufgetan, etwa durch ausgefallene (Labor-)Praktika und Exkursionen, welche nur in Präsenz sinnvoll stattfinden können, aber auch durch das Auftreten technischer Hürden: An vielen Hochschulen zeigt sich schon in den ersten Tagen dieses Online-Semesters, dass die technische Infrastruktur den erhöhten Zugriffszahlen vielfach nicht gewachsen ist und die Teilnahme an Kursen so erschwert wird.
In der Zukunft werden dadurch Folgeprobleme entstehen, die nicht nur schwächer gestellten Studierenden einen Nachteil entstehen lassen, sondern auch die Verwaltungen schwer belasten werden.
Wir möchten daher an die #nichtsemester Petition erinnern, welche diese Probleme schon sehr früh aufgriff. Aus ihr sind die Petitionen „Kann-Semester“ und #solidarsemester entstanden, die von vielen ASten und Hochschulgruppen im Land unterstützt werden. Sie alle eint die Forderung nach einer formalen und politischen Anerkennung der Außergewöhnlichkeit dieses Semesters.
Als studentische Senatorinnen und LandesAStenKonferenz Niedersachsen möchten wir Sie daher auffordern, Ihre Position zu diesem Semester noch einmal zu überdenken und den für uns Studierenden entstehenden Nachteil so klein wie möglich zu halten. Aus unserer Sicht ist hier eine pauschale Lösung, die alle Studierenden und Hochschulverwaltungen entlastet, der einzig mögliche Weg.
Mit freundlichen Grüßen Studentische Senatorinnen in Niedersachsen
Fenja Ahrendt (TU Braunschweig) Petra Wiesinger (TU Braunschweig) Hannes Stenkamp (TU Clausthal) Alexandra Werner (Universität Göttingen) Anika Bittner (Universität Göttingen) Denise Rabe (Leibniz Universität Hannover) Philina Heistermann (Leibniz Universität Hannover) Dana Barchfeld (Medizinische Hochschule Hannover) Clemens Hüsch (Medizinische Hochschule Hannover)Lydia Waldmann (Hochschule Hannover) Katharina Jörn (Hochschule Hannover) Nicole Rudi (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover) Cewil Sedaye-Vatan (Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover) Alina Eiberger (Universität Hildesheim) Stephan Buchberger (Universität Hildesheim) Jan-Niclas Thul (Universität Hildesheim) Tino Hübner (Universität Lüneburg) Klara-Maria Töpfer (Universität Lüneburg) Gesa Weidemann (Universität Lüneburg) Frederik Vogt (Universität Osnabrück) Shari Hiltner (Universität Osnabrück) Ria Sommer (Universität Osnabrück) Timo Lakemann (Hochschule Osnabrück) Sven Lüdemann (Hochschule Osnabrück) Stefan Schell (Hochschule Ostfalia)
LandesAStenKonferenz Niedersachsen Lone Grotheer und Stephan Buchberger Koordinator*innen der LAK
Weitere ASten: AStA der Georg-August-Universität Göttingen AStA der Ostfalia Hochschule AStA der Hochschule Emden Leer
SoSe 2020 als besonderes Semester in Niedersachsen
Definition des Kann/Nicht/Solidar Semester: Der Lehrbetrieb läuft nach Möglichkeit an der Universität weiter, während die “Zählzeit” des Semesters ausgesetzt wird. Dies ermöglicht es den Studierenden, im Rahmen der gegebenen Umstände einige Credits zu machen, ohne den Druck “ein volles Semester” studieren zu müssen.
Die Petition #nichtsemester richtet sich nicht nur an Studierende, sondern an alle einer Hochschule angehörenden Personen, die von der durch Covid-19 verursachten Situation betroffen sind. Dabei fordert die Petition ausdrücklich nicht das Aussetzen der Lehre, sondern die formale Anerkennung der besonderen Situation. Es wird ausdrücklich gefordert, dass Hochschullehre fortgesetzt wird, wo dies möglich ist. Dazu zählt die Berücksichtigung der hohen Diversität der Lehre verschiedenster Studiengänge genauso wie die Herausforderungen, welche die aktuell ausgeübte ad hoc Digitalisierung mit sich bringt.
Wichtigster Punkt aus Studierendensicht ist jedoch, dass Studierenden aus der aktuellen Situation kein Nachteil entstehen darf. Die Petition fordert dazu im Wortlaut *„bei der Planung des anstehenden Ausnahmesemesters (Frühjahr/Sommer 2020) die Belange vor allem derer im Blick zu haben, die am stärksten belastet sind: erwerbstätige Studierende, Studierende und Lehrende mit Care-Verpflichtungen, ausländische Studierende mit Visums- und Aufenthaltsauflagen, prekär und befristet Beschäftigte in den Hochschulen. Studierende sollen selbstverständlich die Möglichkeit haben, Leistungspunkte erwerben, Prüfungen zu absolvieren und Abschlussarbeiten zu schreiben. Aber ein normaler Studienbetrieb kann derzeit nicht garantiert werden, die Situation ist offen und kontingent.
Nur ein ‚Nicht-Semester‘ kann unserer Ansicht nach Sicherheit und gleichzeitig Flexibilität gewährleisten, den Universitäten helfen, Prioritäten zu setzen, und den Lehrenden gestatten, im Rahmen fachspezifischer Kontexte digitale Lehre einzusetzen. Nur wenn das Semester nicht (regulär) zählt, ist gesichert, dass denjenigen, die die schlechtesten Voraussetzungen haben oder im Verlauf des Sommers neuen Belastungen ausgesetzt sein werden, keine Nachteile entstehen.“*
Die Frage ist letztlich nicht, ob ein solches Kann-Semester durchgeführt wird oder nicht, sondern ob man die Unzulänglichkeiten, die bei Lehrenden und Studierenden zwangsläufig aufgrund der rapiden digitalen Umstellung und den gesetzlichen Vorgaben wegen COVID-19 entstehen, legitimiert oder ob Fristen und Regelungen aufrechterhalten werden, obwohl sie eventuell nicht mehr erfüllt werden können.
Aus Sicht der Studierendenschaft ergeben sich daraus zentrale Forderungen
a) an die Politik
- Die Wertung des SoSe 2020 als Hochschul-, Fach- und Prüfungssemester muss ausgesetzt werden !
- BAföG-Regelungen müssen angepasst werden
- Existenzsicherung für alle Studierenden in finanziellen Notlagen
- Regelungen zu Status und Beitragspflicht der gesetzlichen Krankenkassen müssen flexibler werden
- Kindergeldbezüge an die Situation anpassen
- Regelungen zu Waisenrentenansprüchen müssen von den Rentenkassen flexibel angepasst werden
- Finanzielle Unterstützung der Studierendenwerke
- Die Finanzierung von Studienassistenzen für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ist flexibel anzupassen
b) an die niedersächsischen Hochschulen
- Maximale Flexibilität bei Studienverläufen
- Flexible Integration von Auslandssemestern, die jetzt nicht angetreten werden können
- Zugang zu Literatur [in den Bibliotheken] schnellstmöglich wieder ermöglichen
- Flexible Regelungen zu Wohnzeiten für Wohnheimbewohner:innen
- Berücksichtigung der besonderen Situation von Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen bei der Gestaltung virtueller Lehre und ggf. virtuellen Prüfungsformen, hierbei insbesondere Berücksichtigung von Nachteilsausgleichen