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Studierendenvertretungen warnen vor Einschränkung von Partizipationsrechten an Hochschulen durch die Exzellenzinitiative

Posted in Pressemitteilung

Die hier gemeinsam agierenden Studierendenvertretungen lehnen die Vorschläge der Imboden-Kommission als Abgesang auf Demokratie und Partizipation an deutschen Hochschulen und die Exzellenzinitiative insgesamt als falsches wissenschaftspolitisches Mittel entschieden ab. Sie warnen ausdrücklich vor einem Befeuern von prekärer Beschäftigung, einer weiteren Entdemokratisierung der Universitäten, regionalen Verwerfungen, sozialer Selektivität und Verteilungskämpfen an den Hochschulen!

Nachdem sich der Wissenschaftsrat am 13.4. mit den Vorschlägen der „internationalen Expertenkommission zur Evaluierung der Exzellenzinitiative“ auseinandergesetzt hat, tagt am 22.4. die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) und verhandelt eine neue Bund-Länder-Vereinbarung in Nachfolge der Exzellenzinitiative. Die sogenannte Imboden-Kommission rückte in ihrem Abschlussbericht insbesondere die ihrer Meinung nach ausbaufähige Governance an deutschen Hochschulen ins Zentrum der Debatte. Im öffentlichen Diskurs überwiegt seitdem das Lob für die mutige Lagebeschreibung der Expert*innen. Reaktionen, die etwa die von Dieter Imboden artikulierte Kritik an einem „falsch verstandenen demokratiebedürfnis an deutschen Hochschulen“ als verfehlt zurückweisen, waren nur vereinzelt zu hören.

Julia Friedel von der Landes-ASten-Konferenz Rheinland-Pfalz sagt: „Bereits die letzte Runde der Exzellenzinitiative hat verheerende Auswirkungen auf die Statik der deutschen Hochschullandschaft gezeigt. Die Dynamik, bei der es neben wenigen vermeintlichen Gewinner*innen auch viele Verlierer*innen gibt, ist seitens der politischen Akteur*innen gewünscht. Die Idee der Bildungspolitik ist zunehmend, nicht mehr die Frage danach aufzuwerfen, was gesellschaftlich wünschenswert ist, sondern privatwirtschaftliche Strukturen bis in den letzten Winkel ehemals öffentlich organisierter Prozesse zu tragen. Ebenso gibt es den Trend, die Reste an Partizipation zu Gunsten von noch mehr ungezügeltem Wettbewerb zu beseitigen. Damit sollen die zunehmenden Verteilungskämpfe an den Hochschulen um die nicht ausreichenden Mittel nachhaltig zu Gunsten der Spitze entschieden und der Etikettenschwindel fortgesetzt werden. Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, dass Spitzenforschung ohne ein solides Fundament funktioniert. Anstelle einer ordentlichen Kooperation der Universitäten untereinander tritt Konkurrenzdenken und Erfolgsdruck. Was wir brauchen, ist eine angemessene, langfristige und nachhaltige Finanzierung der Hochschulen, auf deren Basis gute Forschung und gute Lehre gedeihen können, kein Disneyland für vermeintlich exzellente Wissenschaft und Prestigeprojekte. Die Lehre darf nicht als zu minimierende Belastung für die Hochschulen gesehen werden, sondern ist notwendige Bedingung für gute Wissenschaft. Was wir derzeit beobachten, ist ein gefährlicher Realitätsverlust der bildungspolitischen Akteur*innen. Im Umfeld der chronischen Unterfinanzierung gilt nämlich: Je höher die Spitze, desto niedriger der Durchschnitt und damit die Qualität des Wissenschaftssystems insgesamt.“

Mehtap Akdemir, hochschulpolitische Referentin des AStA UdK und Vertreterin der Landes-ASten-Konferenz Berlin, erklärt: „An geförderten Hochschulen stellt sich vor allem die Frage, was vor dem Hintergrund der chronischen Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen geschieht, wenn Förderungen auslaufen, Exzellenzprojekte jedoch als politisch gewünscht fortgeführt werden sollen. Schließlich hängen die geförderten Hochschulen in Folge der bisherigen Initiative am Tropf der Exzellenzförderung. Hier liegt die Vermutung auf der Hand, dass wie in den letzten Jahren de facto Ressourcen aus der Lehre abgezogen werden, bevor prestigeträchtige Projekte wieder abgewickelt werden. Die nicht geförderten Hochschulen sehen sich ihrerseits einer immer größeren Kluft zur politisch angestrebten deutschen Ivy League gegenüber. Verlierer*innen sind in jedem Fall die Studierenden, denen eingeredet wird, sie profitierten von der Exzellenzinitiative, obgleich dies in der Praxis nicht darstellbar ist. Auch die Situation der an den Hochschulen Beschäftigten ist außerordentlich prekär. Schon jetzt sind ihre Arbeitsbedingungen nicht ausreichend einheitlich geregelt und werden durch mangelnde Sicherheit der Finanzierung weiter verschlechtert. Für sie gibt es seitens der Politik keine großangelegte Kampagne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der Trend zu mehr Projekt- zu Lasten der Grundfinanzierung hat vielmehr zu einer deutlichen Erhöhung des Anteils befristeter Beschäftigungen geführt. An das Märchen der Erfolgsgeschichte Exzellenzinitiative glauben nicht einmal die Gutachter*innen selbst, wenn sie davon sprechen, sie fühlten sich als Anwält*innen der Hochschulen: Die realen Ergebnisse sind ein Befeuern von prekärer Beschäftigung, einer weiteren Entdemokratisierung der Universitäten, regionalen Verwerfungen, sozialer Selektivität und Verteilungskämpfen an den Hochschulen – Entwicklungen, die sie zum Teil selbst konstatieren, ohne aber wirksame Lösungen anzubieten. Der Bund sollte für die Ausfinanzierung der Hochschulen in Haftung genommen werden, statt die Spaltung der Wissenschaftslandschaft voranzutreiben.“

Unterzeichner*innen:

  • Landes-ASten-Konferenz Bayern
  • Landes-ASten-Konferenz Berlin
  • Landes-ASten-Konferenz Hessen
  • Landes-ASten-Konferenz Niedersachsen
  • Landes-ASten-Konferenz Rheinland-Pfalz
  • Konferenz Thüringer Studierendenschaften
  • freier zusammenschluss von student*innenschaften