Die LandesAStenKonferenz begleitet seit März 2020 die coronabedingten Einschränkungen an den Hochschulen in Niedersachsen. Die Studierenden haben schon mehrfach auf ihre schwierige Situation aufmerksam gemacht. Erstsemester haben die Hochschule nicht/noch nie von innen gesehen, Abschlussarbeiten müssen ohne oder mit eingeschränktem Bibliothekszugang geschrieben werden und weiterhin gibt es statt guten Arbeitsplätzen und gemeinsamer Debatte nur den Bildschirm als sozialen Kontakt.
Die Folgen davon wurden schon häufig benannt: Für viele Studierende verlängert sich unweigerlich das Studium; sei es, weil bestimmte Lehrinhalte wie z. B im Bereich von Laboren und Praktika, Sport, Musik und Kunst sich nicht in die digitale Sphäre übertragen lassen, sei es, weil schlechte Internetverbindungen, beengte und laute Wohnverhältnisse, die aus der aktuellen Situation resultierenden psychischen Belastungen oder der Wegfall von Nebenjobs die ohnehin schon prekäre Position von Studierenden weiter verschärft. Aus der digitalen Lehre und den dadurch deutlich geringeren Austausch ergibt sich aber auch ein Problem für die Forschung: Mit dem Beginn des Studiums war vor Corona zumeist auch der Austritt aus der engen familiären, sozialen und regionalen Verhaftung zugunsten der Begegnung mit dem eigenen Bewusstsein auch widersprechenden Positionen verbunden, was auch ein bedeutsames Moment für wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt darstellt. Doch gerade durch die Pandemie ist die Bedeutung einer kritischen, reflektierten Forschung zu gesellschaftlichen und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen offenkundig geworden.
Die Notwendigkeit der Wiederöffnung der Universitäten und Hochschulen liegt somit auf der Hand. Bis zum Beginn des Wintersemesters sind es nur noch (je nach Hochschule) 2-3 Monate. Nach einem klaren Plan bzw. zumindest nach einer Orientierung, unter welchen Voraussetzungen welche Form der Lehre stattfinden wird, sucht man vergeblich. Nach aktuellem Stand sind erst knapp 50 % der Bevölkerung in Niedersachsen geimpft, Studierende werden hier deutlich unterrepräsentiert sein. Bleibt es bei der kaum vorhandenen Berücksichtigung der Hochschulen im politischen Agieren der Landesregierung, erscheint eine Rückkehr der Präsenzlehre zum Wintersemester höchst unwahrscheinlich. Wir schließen uns daher den zentralen Forderungen, die einzelne Studierendenschaften jüngst an Hochschulen und Landesregierung stellten, vollumfänglich an:
1. Der Aufbau bzw. die Öffnung von Teststrukturen an den Hochschulen für Studierende
2. Einen vollständigen Impfschutz für alle willigen Studierenden bis zum Start des Wintersemesters 21/22, was durch Impfzentren direkt an den Hochschulen, analog zu den Bemühungen in Berlin, erreicht wird.
3. Ein ausgearbeitetes Konzept, unter welchen Voraussetzungen im Wintersemester wieder mit der Präsenzlehre begonnen werden kann.
Genau so richtig ist es allerdings, dass diese notwendigen Öffnungsschritte auch ein Risiko darstellen und sich für viele Studierende gar nicht so einfach umsetzen lassen. Das betrifft unter anderem die folgenden Gruppen:
1.) Studierende mit Vorerkrankungen, für die ohne vollständige Impfung das Betreten des Campus noch immer ein Risiko darstellt, 2.) Studierende, die während Corona zurück zu ihren Eltern gezogen sind und den kurzfristigen Rückumzug in den Studienort aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht bewerkstelligen können, 3.) Studierende mit Kind, die bei einer Corona-bedingten Quarantäne ihres Kindes temporär nicht an Präsenzlehre teilnehmen können.
Von solchen aufgeführten Beispielen ließen sich noch weitere ausführen. Für die Planung des Wintersemesters bedeutet das daher: Bei der Umsetzung des von vielen Studierenden geforderten Wiederbeginns der Präsenzlehre dürfen diejenigen nicht unter die Räder geraten, für die eine Rückkehr zur Hochschule im Wintersemester noch keine Möglichkeit darstellt. Entsprechend müssen auch im Wintersemester Möglichkeiten bestehen, digital an Studium und Lehre teilnehmen zu können. Zwar ist ein solches ‚Hybridmodell‘ für viele aufgrund des raschen Abbruchs der Umsetzung im letzten Wintersemester mit großen Enttäuschungen verbunden, richtig ist dennoch: Nur dadurch, dass die Teilnahme am Studium sowohl in Präsenz als auch in digitaler Form ermöglicht wird, kann das nächste Semester ohne Verschlechterung der Situation von Studierenden stattfinden. Die Umsetzung eines solchen Konzepts erfordert eine intensive, vorab geplante Vorbereitung, mit der man spätestens jetzt, besser noch vor einigen Monaten hätte beginnen müssen. Außerdem ist eine frühzeitige Kommunikation, welche Art der Lehre stattfinden wird für alle Studierenden zentrale, um zumindest eine gewisse Planungssicherheit zu gewährleisten.
Die jeweilige Planungen an den einzelnen Hochschulstandorten werden bereits kritisch von den Studierenden begleitet, stoßen aber aufgrund fehlenden rechtlichen Befugnisse der Hochschulen einerseits sowie fehlender finanzieller Unterstützung und nicht vorhandener Öffnungsstrategie der Landesregierung andererseits auf Grenzen. Das umfasst sowohl finanzierungsrechtliche Unklarheiten, zum Beispiel wenn es um Anschaffungen von Impfstoffen, Luftfilteranlagen, Teststrukturen oder Anmietung von externen Räumen geht, als auch die Bereitstellung solcher finanzieller Mittel durch das Land Niedersachsen. Hier fordern wir endlich ein stärkeres Engagement von der Landesregierung, statt sich unter dem Deckmantel der Freiheit der Universitäten ihrer Verantwortung zu entziehen. Außerdem sollten Universitäten und Hochschulen bei der Umsetzung solch umfassender Konzepten wie Schulen den Status als Bildungseinrichtung erhalten, um so stärker eigenständig in Richtung Öffnungen agieren zu können.
Dabei muss allerdings, besonders in Anbetracht der Delta Variante des Corona-Virus, klar sein, dass es keine Öffnungen der Hochschulen um jeden Preis geben darf. Der Gesundheitsschutz der Studierenden, der Lehrenden und aller Angestellten im Hochschulbetrieb hat weiterhin oberste Priorität.